Jede zehnte Frau leidet in der Schweiz an Endometriose, einer Krankheit, die bis heute schwierig zu diagnostizieren und deren Ursache noch immer nicht ganz klar ist. Oft dauert der Leidensweg mit enormen Menstruationsbeschwerden mehrere Jahre, bis die Diagnose feststeht und man endlich die richtige Behandlung bekommt.
Der Begriff Endometriose bezeichnet das Auftreten von Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) ausserhalb der Gebärmutterhöhle. Am häufigsten sind diese Zellen an der äusseren Gebärmutterwand, in der Muskelschicht der Gebärmutter oder in den Eierstöcken sowie der Beckenwand zu finden. Mariyana Despodova, Gynäkologin und Oberärztin in der Frauenpraxis KSA am Bahnhof Aarau, erklärt, warum diese Schleimhautzellen Beschwerden hervorrufen: «Frauen mit Endometriose leiden oft unter extrem starken Menstruationsbeschwerden, da quasi ein Monatszyklus am falschen Ort stattfindet. Diese Endometrioseherde aus Gebärmutterschleimhaut, die sich an anderen Stellen im Körper befinden, reagieren genau gleich auf die Hormone während eines Zyklus’, wie die Gebärmutterschleimhaut innerhalb der Gebärmutter. Das heisst, es kommt auch ausserhalb der Gebärmutter zur Vermehrung und anschliessenden Abstossung der Gebärmutterschleimhaut inklusive Blutung, nur mit dem Unterschied, dass diese Endometrioseherde nicht nach aussen abfliessen können. Das Menstruationsblut staut sich, die Herde werden grösser und neue Herde können sich bilden, so dass sich die Krankheit im Körper ausbreitet und sogar Organe befallen kann. Zudem können sich Verwachsungen und entzündliche Prozesse bilden.»
Meist treten die Beschwerden in Form von starken Schmerzen und Krämpfen in der zweiten Zyklushälfte auf, oft kurz vor der Monatsblutung. Während der Monatsblutung nehmen die Beschwerden ab und verschwinden schliesslich wieder. In schwereren Fällen können auch Schmerzen ausserhalb der Menstruation entstehen, was ebenfalls auf eine Endometriose hindeuten kann. Weitere Symptome sind extreme Schmerzen bis zur Übelkeit und Erbrechen sowie Durchfall vor und während der Menstruation. Auch unspezifische Beschwerden wie Antriebslosigkeit, Völlegefühl oder Unwohlsein können auf eine Endometriose hindeuten. Mariyana Despodova erklärt: «Die Symptome bei Endometriose können in den verschiedensten Konstellationen auftreten. Wenn sich beispielsweise zwischen der hinteren Wand der Scheide und dem Enddarm Endometrioseherde bilden, ergeben sich daraus nebst den bekannten Schmerzen der Gebärmutter oft charakteristische Beschwerden wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, eine erschwerte Blasenentleerung sowie Schwierigkeiten bei der Stuhlentleerung. Da die Endometrioseherde während der Menstruation ebenfalls bluten, kann dies unter anderem auch zu Blut im Stuhl oder Urin führen. In einem solchen Fall müssen unbedingt weitere Abklärungen durch den Arzt erfolgen.» Am schmerzhaftesten ist jedoch die tief infiltrierende Endometriose, wo sich Endometrioseherde in Beckenwand, Darm, Blase oder Scheidenwand einnisten und dort in das Gewebe einwachsen.
Eine besondere Form der Endometriose findet man an den Eierstöcken in Form eines sogenannten Endometrioms. «Dies ist eine meist mit altem Blut gefüllte Zyste, die sich an den Eierstöcken bilden kann», erklärt Mariyana Despodova. «Aufgrund ihrer braunen Farbe nennt man sie auch Schokoladenzysten. Auch hier kommt es zu monatlichen Einblutungen und die Zysten können ab einer gewissen Grösse Beckenschmerzen auslösen und die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen. Etwa bei der Hälfte der Frauen, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben, liegt eine Endometriose mit Verklebungen in den Eierstöcken und Eileitern vor, teilweise auch ein Endometriom.»
Heute kann eine Diagnose, ob Endometriose vorliegt oder nicht, glücklicherweise schneller erfolgen als noch vor zehn Jahren, wie die Gynäkologin weiss: «Man weiss heute, dass der Schweregrad des Schmerzempfindens nicht immer im Verhältnis zur tatsächlichen Erkrankung steht. Das heisst, auch kleine, unscheinbare Endometrioseherde können extreme Schmerzen auslösen, während grosse kaum Beschwerden verursachen. Deshalb nennt man Endometriose auch das Chamäleon der Krankheiten. Oft wird es bei Ultraschalluntersuchungen nicht entdeckt, wenn nur eine leichte Erkrankung vorliegt und man nicht spezifisch danach sucht. Daher wird bei Verdacht auf Endometriose nach dem Ultraschall oft das MRI, also die Magnetresonanztomographie, zur Diagnostizierung hinzugezogen, insbesondere dann, wenn Organe wie der Darm, die Nieren oder gar die Lunge mit betroffen sind. Generell ist man heute aufgrund der Häufigkeit dieser Krankheit als Arzt sensibilisierter. Man weiss viele Symptome besser zu deuten, um eine Endometriose diagnostizieren zu können und mit der Behandlung zu beginnen.»
Häufig wird Endometriose erst im Zusammenhang mit unerfülltem Kinderwunsch diagnostiziert. Unfruchtbarkeit kann viele Gründe haben – aber bei fast der Hälfte der Frauen ist der Grund Endometriose. Je früher die Diagnose Endometriose gestellt wird, desto besser stehen die Chancen, trotz dieser Krankheit schwanger werden zu können, bestätigt Mariyana Despodova: «Wenn man Kinder möchte, ist es ratsam, sich so früh wie möglich behandeln zu lassen. Denn ohne Behandlung scheitet die Krankheit fort, breitet sich im Körper aus, und die Chancen auf einen erfüllten Kinderwunsch durch eine Spontanschwangerschaft sinken. Bei fortgeschrittener Krankheit bleibt oft nur noch die künstliche Befruchtung, um schwanger werden zu können.»
Das Mittel der Wahl für die Behandlung von Endometriose ist nach wie vor die Pille, denn sie stabilisiert den Zyklus. «Wir empfehlen hier eine durchgehende Einnahme der Pille während drei bis sechs Monaten, sodass in dieser Zeit keine Regelblutung mehr entsteht», erklärt die Fachärztin. «Dadurch entfällt die Menstruation und damit auch die Schmerzen. Zudem tritt auch keine Verschlechterung der Situation auf. Die Krankheit breitet sich nicht weiter aus und die Endometrioseherde verkleinern sich.» Wichtig ist, dass bei der Wahl der Pille darauf geachtet wird, welche Inhaltsstoffe diese hat: «Häufig werden Pillen mit dem synthetischen Hormon Dienogest eingesetzt, ein Gestagen, durch welches indirekt der Östrogenspiegel gesenkt wird. Östrogen wirkt stimulierend auf Endometriose und sollte bei der Wahl der Pille nach Möglichkeit vermieden werden, sofern die Behandlung der Endometriose im Zentrum steht.»
Wenn sich diese Massnahmen als erfolglos erweisen, bereits Organe befallen und in Mitleidenschaft gezogen worden sind oder ein Kinderwunsch besteht, bleibt oft nur ein operativer Eingriff, bei dem die Endometrioseherde entfernt werden. Danach hat man zumindest für ein paar Jahre Ruhe, denn Endometriose ist bisher nicht heilbar.
Seit einiger Zeit gibt es den sogenannten Endotest, welcher mittels Speicheltest ein relativ zuverlässiges Ergebnis liefert. Mariyana Despodova meint dazu: «Dieser Test ist aus meiner Sicht nur dann sinnvoll, wenn eine Endometriose nicht klar diagnostiziert werden kann und die Patientin ohne eindeutige Diagnose keine Hormone einnehmen möchte. In jedem anderen Fall kann sofort mit der Hormontherapie begonnen werden, denn man muss sich über einen Punkt absolut im Klaren sein: Wenn man Endometriose nicht behandelt, wird sie mit jeder Monatsblutung schlimmer und breitet sich weiter im Körper aus, bis sie irgendwann die Organe befällt und gravierende gesundheitliche Schäden hervorrufen kann.»